11/18/2024 | Press release | Distributed by Public on 11/19/2024 14:49
Bundeskanzler Scholz beim G20-Gipfel im Gespräch mit dem südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa.
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann
Beim G20-Gipfel in Brasilien tauschen sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu den globalen Herausforderungen aus. Dazu gehören die Bekämpfung von Hunger und Armut, die nachhaltige Entwicklung der globalen Energiewende und die Frage, wie der menschengemachte Klimawandel aufgehalten werden kann. Auch die Reform der Zusammenarbeit der internationalen Institutionen spielt eine wichtige Rolle, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Pressekonferenz am ersten Gipfel-Tag.
Rio de Janeiro, 19. November 2024: Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Frau Britta Ernst wurden von Lula da Silva, Brasiliens Präsident, und dessen Frau Rosângela da Silvabegrüßt.
In mehreren Arbeitssitzungen des G20-Gipfels tauschten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu den globalen Herausforderungen aus.
Begleitet wurde der Kanzler von Finanzminister Jörg Kukies.
Bei dem Gipfel gehe es darum, die Möglichkeiten zu nutzen, die mit der derzeitigen Neuordnung der Welt verbunden sind, hatte der Kanzler vor dem Abflug gesagt.
Ein zentrales Thema der Beratungen waren die Herausforderungen von Hunger und Armut.
Deutschland stimmte dem Vorschlag des brasilianischen Präsidenten nach einer gemeinsamen Allianz gegen Hunger und Armut in der Welt zu.
Bei dem zweitägigen Gipfeltreffen berieten die G20 unter anderem auch über eine nachhaltige Entwicklung der globalen Energiewende sowie der Reform der globalen Governance. Beides wichtige Themen der brasilianischen G20-Präsidentschaft.
Deutschland unterstützt die Agenda der brasilianischen G20-Präsidentschaft - für globalen Wohlstand und eine gute Zusammenarbeit über alle Kontinente hinweg. G20 in Brasilien habe gezeigt, dass es gelingen kann, gemeinsam über die Zukunft unserer Welt zu sprechen, so der Kanzler.
"Gleichzeitig ist es leider zu wenig, wenn die G20 keine klaren Worte zur Verantwortung Russlands für den Krieg gegen die Ukraine finden", sagte der Kanzler. Der Wind in den internationalen Beziehungen werde rauer. Umso wichtiger sei es, zu solchen Treffen wie in Rio zusammenzukommen.
Rio de Janeiro, 19. November 2024: Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Frau Britta Ernst wurden von Lula da Silva, Brasiliens Präsident, und dessen Frau Rosângela da Silvabegrüßt.
In mehreren Arbeitssitzungen des G20-Gipfels tauschten sich die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten zu den globalen Herausforderungen aus.
Begleitet wurde der Kanzler von Finanzminister Jörg Kukies.
Bei dem Gipfel gehe es darum, die Möglichkeiten zu nutzen, die mit der derzeitigen Neuordnung der Welt verbunden sind, hatte der Kanzler vor dem Abflug gesagt.
Ein zentrales Thema der Beratungen waren die Herausforderungen von Hunger und Armut.
Deutschland stimmte dem Vorschlag des brasilianischen Präsidenten nach einer gemeinsamen Allianz gegen Hunger und Armut in der Welt zu.
Bei dem zweitägigen Gipfeltreffen berieten die G20 unter anderem auch über eine nachhaltige Entwicklung der globalen Energiewende sowie der Reform der globalen Governance. Beides wichtige Themen der brasilianischen G20-Präsidentschaft.
Deutschland unterstützt die Agenda der brasilianischen G20-Präsidentschaft - für globalen Wohlstand und eine gute Zusammenarbeit über alle Kontinente hinweg. G20 in Brasilien habe gezeigt, dass es gelingen kann, gemeinsam über die Zukunft unserer Welt zu sprechen, so der Kanzler.
"Gleichzeitig ist es leider zu wenig, wenn die G20 keine klaren Worte zur Verantwortung Russlands für den Krieg gegen die Ukraine finden", sagte der Kanzler. Der Wind in den internationalen Beziehungen werde rauer. Umso wichtiger sei es, zu solchen Treffen wie in Rio zusammenzukommen.
Die G20-Mitglieder machen mehr als 80 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, 75 Prozent des Welthandels und 60 Prozent der Erdbevölkerung aus. Deutschland unterstützt die Agenda der brasilianischen G20-Präsidentschaft - für globalen Wohlstand und eine gute Zusammenarbeit über alle Kontinente hinweg.
Bundeskanzler Olaf Scholz: Einen schönen guten Tag! Wir sitzen hier beim G20-Gipfel. Das ist eine wichtige und bedeutende Zusammenkunft, bei der wir über Fragen sprechen, die uns alle in der Welt jetzt gemeinsam umtreiben. Eine der zentralen Herausforderungen sind Hunger und Armut. Deshalb ist es ein großer Verdienst des brasilianischen Präsidenten, dass er das zu einem ganz zentralen Thema der Zusammenkunft hier gemacht hat. Wir haben gleich zu Anfang über die von ihm initiierte Initiative einer gemeinsamen Allianz gegen Hunger und Armut in der Welt diskutiert. Deutschland ist als erstes G20-Land dem Vorschlag des brasilianischen Präsidenten beigetreten. Nun haben es sehr, sehr viele getan. Für mich ist das ein wichtiges Zeichen. Denn tatsächlich hat immer noch ein großer Teil der Menschen in der Welt jeden Tag mit Armut und all den Folgen zu kämpfen, die daraus abzuleiten sind, und dem, was das für das konkrete tägliche Leben bedeutet, aber auch mit Hunger, der immer noch eine Geißel für die Menschheit ist. Wenn die Staaten, die hier versammelt sind, das mit ihrer Wirtschaftskraft zu einem zentralen Thema machen, dann ist das ein guter Fortschritt, auch wenn wir wissen, dass hinterher und in der Zukunft noch viel zu tun sein wird. Aber es bleibt ein richtiger Auftakt für die Fragen, die wir zu diskutieren haben.
Gleichzeitig bedeutet das aber auch eine große Verschiebung der Rahmenbedingungen, unter denen international diskutiert wird. Denn auch das ist hier offensichtlich: Die Länder des globalen Südens, viele einflussreiche Staaten, werden in Zukunft über die Zukunft unserer Welt mitreden wollen, insbesondere wenn es um die Fragen der gemeinsamen Entwicklung geht.
Deshalb ist es gut, dass Deutschland der zweitgrößte Unterstützer von Entwicklungszusammenarbeit in der Welt ist. Das ist eine besondere Leistung unseres Landes. Wir werden diese Aufgabe auch weiterhin wahrnehmen müssen, gerade wenn es darum geht, dass wir uns in einer Welt mit wichtigen Ländern auch aus dem globalen Süden gemeinsam an die Zukunft machen wollen.
Ich denke also, dass wir hier einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht haben. Ich denke auch, dass Deutschland mit seiner Haltung für ein Miteinander in der Welt auf Augenhöhe und mit seiner Bereitschaft, für die Entwicklung der Welt etwas zu tun, die Einstellung hat, die man braucht, damit das miteinander gelingen kann.
Natürlich wissen wir, dass dazu viele Veränderungen und Reformen notwendig sind. Über sie werden wir noch weiter diskutieren. Das gilt insbesondere für die Reform der internationalen Institutionen und die Zusammenarbeit, die daraus resultiert.
Aber das gilt natürlich auch für die Debatte über die Kriege, die in der Welt gegenwärtig stattfinden, die noch notwendig ist. Wenn wir über Hunger und Armut sprechen, dürfen wir nicht übersehen, dass in zahlreichen Fällen Kriege die Ursache dafür sind, dass Menschen in Hunger und Armut leben müssen. Viele der Herausforderungen, mit denen die Menschen zu kämpfen haben, sind eben menschengemacht. Das ist der Krieg. Das ist natürlich auch das, was viele als Auswirkung des menschengemachten Klimawandels spüren. Aber vor allem und zuallererst der Krieg ist eine Herausforderung für die Entwicklungs- und Lebenschancen so vieler Menschen.
Das gilt für einen Krieg, wie wir ihn im Sudan erleben. Das gilt für das an militärischer Eskalation, was wir im Nahen Osten sehen. Es wichtig ist, dass wir auch darüber sprechen, wie es bald gelingen kann, dass wir dort einen Waffenstillstand bekommen, dass die Geiseln freigelassen werden, die die Hamas immer noch hält, und dass auch eine Perspektive geschaffen wird, in der humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt und eine Zweistaatenlösung entwickelt werden kann. Aber genauso muss auch über das diskutiert werden, was die Ursache der jüngsten Eskalation ist, nämlich der Angriff der Hamas auf israelische Bürgerinnen und Bürger. Ich will gar nicht verhehlen, dass mir die gegenwärtige Sprache noch nicht gefällt. Das, was als Konsens dazu bisher formuliert worden ist, benennt nicht, wo der Anfang dessen gewesen ist, was wir im Nahen Osten gegenwärtig erleben, nämlich den brutalen Überfall auf israelische Bürgerinnen und Bürger durch die Hamas.
Der andere Krieg, der uns umtreibt und auch umtreiben muss, ist der Angriff Russlands auf die Ukraine. Auch darüber muss hier gesprochen werden. Dieser Krieg hat Konsequenzen für die Bürgerinnen und Bürger der Ukraine. Er hat Konsequenzen für die Soldaten, die dort das Land verteidigen, die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten. Aber natürlich hat er auch unglaublich viele Konsequenzen für die ganze Welt. Wir haben Preisinflationen erlebt. Wir haben Hungerkonsequenzen in der Welt gehabt, weil die Lieferung von Lebensmitteln nicht mehr ungehindert funktionieren konnte usw. Deshalb muss dieser Krieg zu Ende gehen, was nur gelingen kann, wenn Russland seinen Angriff beendet und auch Truppen zurückzieht.
Auch in dieser Frage - davon bin ich überzeugt - müssen wir noch klarer sprechen. Ich werde bei meiner nächsten Intervention noch einmal sehr deutlich formulieren, dass wir diesbezüglich Fortschritte erreichen müssen und dass wir auch benennen müssen, warum es diesen Konflikt gibt, nämlich deshalb, weil Russland sein Nachbarland angegriffen und eines der wesentlichen Prinzipien der Vereinten Nationen verletzt hat, nämlich das Prinzip, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen. Zu diesen Prinzipien wollen sich alle bekennen, aber man muss dann auch Ross und Reiter benennen. Das ist jedenfalls meine Vorstellung. Deshalb wird darüber noch zu diskutieren sein. Wie weit wir kommen werden, das werden wir sehen. Aber man kann das nicht achselzuckend einfach nur als Ereignis sehen, sondern man muss handeln und sprechen.
Ich will deshalb auch sagen, dass es aus meiner Sicht richtig war und bleibt, dass jetzt auch mit dem russischen Präsidenten gesprochen wird, weil ihm das deutlich gemacht werden muss: Er hat eine Verantwortung, er muss den Krieg beenden, er muss Truppen zurückziehen und er darf nicht darauf zählen - uch das muss ihm gesagt werden -, dass die Unterstützung derjenigen Länder für die Ukraine nachlässt, die die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf unterstützen. Deutschland ist in Europa das Land, das am meisten tut, weltweit das am zweitmeisten Unterstützung mobilisierende. Das wird so bleiben. Wir müssen aber erreichen, dass der Krieg zu einem Ende kommt. Deshalb ist hier etwas zu tun, aber auch auf dieser Ebene zu sprechen, und klare Worte sind zu finden.
Schönen Dank!
Frage: Herr Bundeskanzler, die USA haben der Ukraine die Erlaubnis erteilt, weitreichende Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium einzusetzen. Unterstützen Sie diese Entscheidung? Ändert sie etwas an Ihrer Haltung, die Marschflugkörper Taurus nicht an die Ukraine zu liefern? Bisher haben Sie sich bei den Waffenlieferungen ja immer sehr stark an den amerikanischen Entscheidungen orientiert.
Bundeskanzler Olaf Scholz: Schönen Dank für diese Frage. Es ist ja auch richtig, dass sie hier gestellt wird; denn dieser Krieg treibt uns alle um, auch die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, und jeder fragt sich: Was bedeutet das? Ich bin fest davon überzeugt, dass ganz viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sich Sorge machen um die Sicherheit und den Frieden in Europa. Deshalb kommt es schon darauf an, dass wir das Richtige tun, also die Ukraine unterstützen, hier an einem solchen Konferenzort klare Worte finden, auch im Hinblick auf Russland, aber gleichzeitig auch immer besonnen handeln - und dabei bleibt es, was meine eigene Vorgehensweise betrifft.
Ich habe sehr klar begründet, warum ich die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern - zumindest die in Deutschland eingesetzte Variante - nicht für richtig halte. Sie würden nur eingesetzt werden können - auch das muss gesagt werden -, wenn man sich bei der Zielsteuerung auch mitverantwortlich fühlt. Das ist aber etwas, was ich nicht verantworten kann und auch nicht will. Gleichzeitig ist es so, dass wir auch klare Vorstellungen darüber haben, dass die von uns bisher gelieferten starken Waffen, die wir dort zur Verfügung stellen - die weitreichende Artillerie, die Raketenwerfer -, eben nicht eingesetzt werden können, um tief in das russische Hinterland hineinzuwirken.
Wir haben, das wissen Sie, in Bezug auf die Verteidigung von Charkiw eine Ausnahme gemacht. Das war richtig, weil die Angriffe gewissermaßen unmittelbar hinter der Grenze gestartet sind, und das war so dicht an der Stadt, dass es notwendig war, möglich zu machen, dass man sich dort verteidigen kann. Das ändert aber nichts an den Grundprinzipien, die mir wichtig sind und die ich nicht einfach nur so formuliert habe, sondern die mein Handeln leiten.
Frage: Herr Bundeskanzler, offenbar werden Drohnen aus China an Russland geliefert, die dann in der Ukraine zum Einsatz kommen. Die Bundesaußenministerin hat deswegen Konsequenzen gefordert. Sind Sie auch der Meinung, dass es deswegen Konsequenzen geben sollte, und wenn ja, welche? Werden Sie dieses Thema, also die Lieferung von Drohnen und anderer im Krieg einsatzbarer Produkte, morgen in Ihrem Treffen mit dem chinesischen Staatspräsidenten ansprechen?
Bundeskanzler Scholz: Es ist immer ein Thema meiner Gespräche, alle davor zu warnen, dass sie letale Waffen an Russland liefern. Das wird also auch in Zukunft der Fall sein; denn das ist ein zentrales Thema. Im Übrigen habe ich immer auch die Frage von sogenannten Dual-Use-Gütern mit thematisiert, weil es da wohl eine unterschiedliche Praxis gibt, wir aber auch nicht naiv sein dürfen. Insofern kann man sich darauf verlassen, dass das, was in den Dingen, die wir sagen, bisher der Fall war, auch in Zukunft der Fall sein wird.
Für mich wird auch die Tatsache ein wichtiges Thema sein, dass nordkoreanische Soldaten in Russland stationiert worden sind und in diesem Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden. Das kann nicht hingenommen werden und ist im Übrigen eine schlimme Veränderung; denn tatsächlich ist es ja noch gar nicht so lange her, dass es harte Beschlüsse gegen Nordkorea gab, die auch von Russland getragen worden waren. Sich dieses Land jetzt gewissermaßen in der eigenen Not wegen des eigenen imperialistischen Angriffskriegs zum Partner für die Kriegsführung zu machen, ist eine Eskalation, auf die es eine klare Gegenäußerung geben muss und die durch klare Benennung beschrieben werden muss. Da müssen wir also auch sagen: Das kann und darf nicht sein. Ich sehe übrigens, dass das ziemlich viele hier so sehen; insofern bin ich davon überzeugt, dass das kein singulärer Standpunkt ist. Diese Fragen spielen also eine Rolle, klar.
Frage: (auf Englisch) I'd just like to follow up there: You're saying this is an escalation. You didn't quite answer the question whether you have understanding for the decision of Joe Biden to allow Ukraine to use these long-range missiles. At the same time, you're getting a lot of criticism particularly from Poland, alleging that Germany is acting in its own energy interests, already with an eye on seeking energy supplies from Russia again. That's a criticism coming from the Polish President Duda at this moment in time. Maybe you can respond to that?
Bundeskanzler Scholz: Deutschland hat sich unabhängig gemacht von russischen Gaslieferungen, nachdem der Gasfluss aus Russland beendet worden ist. Wir haben diese Unabhängigkeit erreicht und werden sie auch nicht wieder aufgeben. Ich habe als Person dafür gesorgt, dass Deutschland Infrastrukturen im Norden Deutschlands, an der Nordseeküste, an der Ostseeküste baut, mit denen jetzt Gas, LNG - ganz viel aus den USA, aber auch aus anderen Ländern - nach Deutschland transportiert werden kann. Wir haben unsere Pipelineinfrastruktur ertüchtigt und sind unverändert dabei, damit das gut läuft und wir gleichzeitig auch LNG über die westeuropäischen Häfen importieren können. Wir sind dabei ja auch ganz wichtig für viele andere. Allein die Möglichkeit, über Mukran Gas zu importieren, wird auch ein wichtiger Sicherheitsbeitrag für Länder in Mittel- und Osteuropa sein, die keinen direkten Hafenzugang haben und darauf angewiesen sind, dass ihr Anschluss an das deutsche Pipelinenetz sie mit Sicherheit mit Gas versorgbar macht - zum Beispiel aus den neuen Terminals, die wir errichtet haben.
Wie gut - das will ich gerne an dieser Stelle sagen -, dass wir da nicht nachgegeben haben.
Aber, das muss man dann auch einmal sagen: Ich habe die Frage gar nicht verstanden, weil das so klar ist, dass ich nicht weiß, wie man darauf kommen kann, dass das passiert. Aber es ist ja gut, dass Fragen gestellt werden, damit Gerüchte sich nicht verselbstständigen und plötzlich Nachrichtenwert erlangen.
Das Zweite ist: Wir müssen eine Situation herstellen, in der immer klar ist, dass nicht über die Köpfe der Ukraine hinweg gehandelt wird. Dafür stehe ich als verlässlichster und umfassendster Unterstützer der Ukraine bei ihrer Verteidigung. Das hat ja eine Konsequenz, was die Dimension unserer Lieferung, unserer Finanzmittel, betrifft. Das hat eine Konsequenz, was die Verlässlichkeit unserer Lieferung betrifft, und darauf können sich alle verlassen, dass das niemals der Fall ist.
Damit das auch nicht geschieht, müssen wir natürlich mit vielen Partnern reden. Wir müssen auch sicherstellen, dass Europa auch selber spricht. Deshalb unterstreiche ich, dass es aus meiner Sicht sehr richtig war, Gespräche zu führen, auch, um berichten zu können, dass sich nach dem, was wir an Äußerungen vom russischen Präsidenten hören können, leider nichts an seinen ursprünglichen Plänen geändert hat, die völlig unakzeptabel sind und die niemals hingenommen werden können, sondern es geht darum, dass Russland den Krieg beendet.
Ansonsten habe ich zu allem etwas gesagt. Wir haben unsere Prinzipien, die wir beachten werden, und an die werde ich mich weiter halten.
Frage: Herr Scholz, der brasilianische Präsident Lula hatte die Hoffnung, das Freihandelsabkommen Mercosur hier noch bedeutend weiterzubringen. Das sieht nicht so aus. Sprechen Sie mit ihm darüber, gerade auch mit Blick auf die deutsche Wirtschaft, und sprechen Sie auch mit Macron darüber, dass die Franzosen sich möglicherweise noch bewegen?
Bundeskanzler Scholz: Wir müssen das Freihandelsabkommen Mercosur jetzt nach über 20 Jahren endlich fertigbekommen. Das hat viel zu lange gedauert, wie das verhandelt worden ist. Das ist kein gutes Beispiel für eine gute Praxis.
Wir brauchen mehr Freihandelsabkommen. Die Welt verändert sich. Wenn wir weiter mit aller Welt ökonomisch im Austausch sein wollen, dann müssen wir als Europäische Union handeln.
Ich will noch einmal wiederholen, was ich bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Wir haben die Kompetenz, Handelsabkommen und Handelsverträge zu schließen, als europäische Staaten an die Europäische Union abgegeben. Das haben wir aber nicht mit der Absicht getan, dass dann weniger abgeschlossen werden, sondern wir möchten, dass es mehr werden, mit mehr Bedeutung. Deshalb kann das nicht so bleiben. Ich habe deshalb zusammen mit dem spanischen Regierungschef einen Brief an die Kommissionspräsidentin geschrieben - vor einiger Zeit schon, das ist also keine News -, in dem wir aufgefordert haben, dass sie jetzt diese Verhandlungen zu Ende führt. Ich habe den Eindruck, da ist jetzt auch Druck in der Sache, und das wird vorangetrieben. Das sollte jetzt auch bald finalisiert werden. Wir jedenfalls stehen hinter der Kommission, wenn sie ein Abkommen präsentiert und sagt: Das soll jetzt von uns allen getragen werden.
Ich will eine Bemerkung hinzufügen, die mir wichtig ist: Damit das klappt, mehr Freihandelsabkommen, müssen wir uns von dem Prinzip verabschieden, wie die Freihandelsabkommen bisher verhandelt werden. Ich plädiere also ausdrücklich für sogenannte "EU-only"-Abkommen, die dann mit qualifizierter Mehrheit im Rat und mit dem Parlament beschlossen werden können, bei denen aber nicht wenige oder Einzelne alles aufhalten können. Das ist nicht akzeptabel. Ich schlage vor, darüber nachzudenken, ob diese "EU-only"-Verträge, die ja nur einen eingegrenzten Inhalt haben können, der nämlich nicht eine Ratifizierung notwendig macht, dann ergänzt werden um die übrigens meistens unstreitigen, ratifizierungspflichtigen Teile. Da könnte man eine Art Vertrag schließen, der in Kraft tritt, wenn eine bestimmte Zahl von Staaten ihn bereits in der Europäischen Union ratifiziert haben - also für diejenigen, die das getan haben -, sodass wir auch dort von der Situation wegkommen, dass ein, zwei Einzelne aufhalten können, was alle anderen wollen. Das geht ja nicht, wenn das so wichtig für unsere Wirtschaftsbeziehungen in aller Welt ist.
Ich komme zu dem zurück, was ich eingangs in dieser Pressekonferenz gesagt habe. Aus meiner Sicht verändert sich die Welt. Wir erleben eine große, große Veränderung der globalen Strukturen. Man hört das auch, wenn einzelne Staaten sprechen. Sie betonen die Größe ihrer Volkswirtschaft, ihre Einwohnerzahl, die Zahl, die da noch kommt. Das sind Länder, die mitreden wollen und die nicht mehr akzeptieren werden, dass alles so geht, wie sich das über Jahrzehnte eingeschlichen hat, sogar über Jahrhunderte - das muss man ja sagen -, was Europa betrifft.
Wir haben jetzt die Chance, daraus eine gute Sache zu machen, und die dürfen wir nicht verpassen. Deshalb ist es wichtig, dass wir auf der richtigen Seite stehen und den Fortschritt voranbringen. Handelsverträge mit diesen Ländern und diesen Regionen gehören unbedingt dazu.
Zusatzfrage: (akustisch unverständlich)
Bundeskanzler Scholz: Ich habe im zweiten Schritt etwas über das gesagt, was wir zukünftig machen können. Dieser ist nicht als "EU-only"-Vertrag konzipiert. Da müssen wir durch.
Schönen Dank. Tschüss!