11/26/2024 | News release | Distributed by Public on 11/26/2024 04:43
Kleine Institute können nun von weiteren Erleichterungen beim Risikomanagement profitieren. Dafür sorgt eine neue Aufsichtsmitteilung der Finanzaufsicht . Exekutivdirektor Raimund Röseler schildert die Hintergründe - und überraschende Erkenntnisse.
Herr Röseler, werden kleinere Kreditinstitute in Deutschland unverhältnismäßig stark durch Aufsicht und Regulierung belastet?
So pauschal kann man das nicht sagen. Aber es stimmt schon: Für viele kleine Institute ist die vorhandene Regulierung zu komplex, zu kompliziert und zu umfangreich.
Was bedeutet das für die Institute?
Einige kleine, risikoarme Institute müssen Anforderungen erfüllen, die eigentlich für sie nicht relevant sind. Das kann bei manchen Themen schon zur Überlastung führen. Denken Sie zum Beispiel an die Vergütungsregeln, die für die allermeisten Institute schlicht irrelevant sind.
Was kann die tun?
Die nutzt natürlich ihre Rolle als Ratgeberin in den europäischen Gremien, in denen sie Sitz und Stimme hat. Wir machen dort klar, wie wir die Dinge sehen: Es darf nicht sein, dass Regulierung so komplex ist, dass die Bürokratie kleine Institute in die Knie zwingt. Aber wir haben innerhalb des europäischen Rechtsrahmens durchaus auch selbst einen gewissen Handlungsspielraum …
… den Sie nun mit der Aufsichtsmitteilung zur Proportionalität nutzen?
Genau. Damit leisten wir einen konkreten Beitrag zur Entbürokratisierung. Wenn wir über mangelnde Proportionalität, über zu viel Komplexität klagen, können wir nicht nur auf Brüssel zeigen. Wir sollten auch nach Entschlackungspotenzial in den eigenen Werken schauen.
In unserer Aufsichtspraxis ist uns Proportionalität schon immer sehr wichtig. Wir prüfen aber immer wieder, ob wir da nicht noch besser werden können. Deshalb ist uns der Austausch mit den Instituten so wichtig: Da erfahren wir, wo es in der Praxis hakt.
Wann sprechen Sie mit den Banken?
Die Aufseherinnen und Aufseher sind natürlich ständig mit den Instituten im Kontakt. Aber auch ich persönlich tausche mich immer wieder mit ihnen aus. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus unseren Grundsatzbereichen habe ich in den vergangenen zwei Jahren mehrere kleine Institute besucht und mit ihnen Workshopszur Aufsichtspraxis gemacht.
Ich habe mir dafür bewusst viel Zeit genommen. Und ich habe Wert daraufgelegt, dass in diesen Workshopsauch die Praktikerinnen und Praktiker dabei sind, die täglich mit den Anforderungen der Aufsicht konfrontiert sind.
Was kam bei den Workshopsheraus?
Zum Teil haben wir da ganz erstaunliche Erfahrungen gemacht. Wir haben festgestellt, dass wir mit unseren Veröffentlichungen manchmal Entwicklungen angestoßen haben, die wir nie beabsichtigt hatten. Da scheint es einen Stille-Post-Effekt zu geben zwischen Aufsicht, Verbänden und Prüferinnen und Prüfern. Bei der Interpretation der aufsichtlichen Anforderungen sind manche Institute teilweise über das Ziel hinausgeschossen. Kleine Institute haben deshalb zum Teil nicht die Erleichterungen genutzt, die wir ihnen schon eingeräumt hatten.
Haben Sie ein Beispiel?
Guidelinesder Europäischen Bankenaufsicht verlangen, dass eine Bank Stresstests für die wesentlichen Risiken durchführen soll. Das Gleiche verlangen wir in unseren Mindestanforderungen an das Risikomanagement, also den .
Was uns klargeworden ist: Offensichtlich kann man so eine Regel auch überinterpretieren. Jedenfalls haben wir bei einem Workshopmit einer wirklich sehr kleinen Volksbank - mit 15 Beschäftigten - erfahren, dass diese Bank sich genötigt sah, 13 Stresstests im Jahr durchzuführen.
Irgendein Prüfer - es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, welcher - hatte die Legende in die Welt gesetzt, dass wir verlangen, dass wirklich alle denkbaren Risiken gestresst werden. Egal ob relevant oder nicht.
Die Bank hatte ihr Soll also jahrelang übererfüllt?
So kann man es sagen. Wir haben dieser Bank einen Brief geschrieben, in dem wir klargemacht haben, dass aus unserer Sicht auch drei bis maximal fünf Stresstests völlig ausreichend sind. Diesen Brief kann die Bank nun ihrem Prüfer zeigen und sich viel unnötige Arbeit ersparen. Wir haben in Workshopsmit anderen Instituten noch weitere, manchmal ähnlich absurde Sachen gefunden, die wir dann hoffentlich ausgeräumt haben.
Haben Institute auch bei anderen Themen zu viel Aufwand betrieben?
Das Auslagerungsmanagement ist noch so ein Thema, bei dem wir den Instituten bereits große Spielräume eingeräumt hatten. Nicht alle Institute haben die bisher genutzt. Wir haben zum Beispiel keine Bedenken, wenn die Institute verstärkt gruppen- oder verbundinterne Auslagerungsmanagements nutzen. Auslagerungen nehmen immer mehr zu. Die Institute dürften sehr von diesen Spielräumen profitieren. Zusätzlich führen wir aber auch neue Erleichterungen ein.
Was ist denn neu?
Nochmal zum Thema Stresstests: Kleine Institute können künftig auf inverse Stresstests verzichten - also auf Tests, mit denen untersucht wird, welche Ergebnisse das Überleben des Instituts gefährden könnten.
Was zum Beispiel noch?
Wir haben schon ziemlich oft gehört, dass Risikoberichte - oder zumindest Teile davon - eigentlich nur für die Aufsicht verfasst werden. Ich sehe das nicht so: Risikoberichte sollen die Geschäftsleitung in die Lage versetzen, schnell auf kritische Entwicklungen zu reagieren. Auf interne Risikoberichte kann kein seriöses Unternehmen verzichten. Trotzdem haben wir uns das Thema noch mal genauer angeschaut.
Mit welchem Ergebnis?
Wir schaffen auch beim Berichtswesen Erleichterungen: Zum Beispiel müssen kleine Institute ihre Gesamtrisikoberichte nicht mehr vierteljährlich erstellen, wenn sich im abgelaufenen Quartal in den entsprechenden Teilen des Gesamtrisikoberichts keine relevanten Änderungen ergeben haben. Die Informationen zur Überwachung und Strategie der Kapitalplanung, die bisher jeder Gesamtrisikobericht enthalten musste, müssen kleine und nicht komplexe Institute sogar nur noch alle zwei Jahre überprüfen.
Diese Beispiele sind nun in der Aufsichtsmitteilung gebündelt?
Wir haben vor allem in vielen Gesprächen mit kleinen Instituten bestehende und neue Entschlackungspotenziale identifiziert und zusammengetragen. Das Ziel: der ganzen Industrie schnell und pragmatisch zu helfen. Die Aufsichtsmitteilung soll durchaus ein lebendes Werk sein. Heißt: Für weitere Workshopssind wir offen.
Die Klarstellungen und Erleichterungen gelten für kleine und sehr kleine Institute. Was heißt das konkret?
Das steht in den . Darin waren bisher schon Öffnungsklauseln für kleine Institute enthalten, die von bestimmten Schwellenwerten abhingen. Diese Schwellenwerte waren aber nicht immer deckungsgleich mit der europäischen Eigenmittel-Verordnung, also der Capital Requirements Regulation- , welche die Institute aber auch erfüllen müssen. Das war unübersichtlich.
Künftig werden wir uns - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in den an der Definition der orientieren. So fällt es den Instituten leichter, die verschiedenen Regelungen zu erfüllen - und zwar ohne Abstriche bei der wirksamen Steuerung ihrer Risiken zu machen.
Wie viele Kreditinstitute werden von der Aufsichtsmitteilung profitieren?
Ich gehe davon aus, dass etwa drei Viertel der deutschen Institute von den Erleichterungen profitieren werden.
Befürchten Sie nicht, dass die Probleme bei Instituten künftig eher übersieht?
Mehr Proportionalität bedeutet ja nicht, dass die Regulierung kleinerer Banken laxer werden soll. Wir stellen klar, dass kleine Institute jetzt schon ausreichend Spielräume haben, um ihre Prozesse im Risikomanagement weniger aufwändig zu gestalten. Das heißt aber auch: Wenn die Institute diese Spielräume nutzen, beeinträchtigt das nicht ihr Risikomanagement. Die Erleichterungen und der Gestaltungsspielraum der Institute gehen also ganz klar nicht zu Lasten des Risikomanagements.
Wie geht es jetzt weiter?
Ich verstehe die Aufsichtsmitteilung als einen ersten Schritt. Selbstverständlich sprechen wir weiter mit den Banken vor Ort. Und ich gehe davon aus, dass wir da noch mehr Ideen für Vereinfachungen bekommen werden, die wir dann in ähnlicher Form aufnehmen werden.