CAU - Christian-Albrechts-Universität

11/01/2024 | Press release | Distributed by Public on 11/01/2024 04:23

Digitalisierung und KI – was wir von China lernen können

Staunend beobachten die Europäer, in welchem Tempo China als technologische Supermacht vorangeht. Bei der E-Mobilität wird dies am deutlichsten sichtbar: Deutsche Autohersteller drohen abgehängt zu werden. Rund 40 Fachleute kamen jetzt zum Forum De:code China im Wissenschaftszentrum zusammen, um die Chancen und Gefahren der Digitalisierung für den europäisch-chinesischen Austausch auszuloten. Eingeladen hat das Chinazentrum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU).

Akteur*innen aus Wissenschaft, Verwaltung, Bildung und Politik beteiligten sich an dem neuen Format im Rahmen des Projektes "ChiKoN - China-Kompetenz im Norden". Bei dem Kombi-Event kamen namhafte Expert*innen in Kurzvorträgen und einer Podiumsdiskussion zu Wort. Ein Workshop und Möglichkeiten des Networking der Partner-Institutionen im ChiKoN-Netzwerk rundeten das interdisziplinäre Forum De:code China ab.

Große Konzerne in China sind schnell und kapitalstark

Welche Chancen und welche Risiken sehen die Expert*innen bei Kooperationen zwischen Europa und China? Das wollte ChiKoN-Projektkoordinatorin Jana Brokate wissen, die die Podiumsdiskussion moderierte. In China habe sich eine ganz andere Denkweise als bei europäischen Unternehmen etabliert, die den rasanten digitalen Fortschritt ermögliche, erläuterte Björn Ognibeni, Unternehmensberater aus Hamburg und Gründer des Online-Thinktanks ChinaBriefs.io. "Dort fragen die Entscheider, 'wie' man Ziele erreichen könne, nicht 'ob'." In Deutschland werde Innovation behindert, weil es viel zu oft heiße: "Nein, das geht nicht".

Das Entwicklungstempo erreichen in China vor allem große, mit dem nötigen Kapital ausgestattete Konzerne, die viel schneller Entscheidungen treffen als bei uns. "Unsere Einschätzung, dass nur kleine, schlagkräftige Startups schnell seien, wird dort nicht geteilt", erläuterte Björn Ognibeni. Zudem gebe es die Mentalität im Reich der Mitte, dass man in der technologischen Entwicklung nie fertig sei - stattdessen werde die Kultur der ständigen Innovation gepflegt. Europa könne daraus lernen: "Wir müssen uns manchmal von alten Technologien verabschieden, um etwas komplett Neues entstehen zu lassen." So habe Huawei beispielsweise ein bahnbrechendes, neues Betriebssystem für Smartphones eingeführt, das mit Autos und sogar mit Verkehrssystemen wie der Ampelschaltung kommunizieren könne.

37.000 europäisch-chinesische Kooperationsprojekte

"Etablierte Unternehmen in Deutschland machen das, was sie schon immer gut können, sehr lange weiter. Es fehlt der Spirit und häufig auch das Geld für umwälzende Innovationen", erklärte Professor Dirk Nowotka, Sprecher des Digital Science Centers der CAU, das langsame Entwicklungstempo. Auch bürokratische Restriktionen durch viele Gesetze und Regelungen behindern häufig Neuentwicklungen. Chancen in der Zusammenarbeit zwischen Europa und China sieht Wendy Chang, Analystin beim Mercator Institute for China Studies in Berlin. Zwischen 2017 und 2022 habe das Institut fast 37.000 englischsprachige, KI-relevante gemeinsame Forschungsarbeiten identifiziert. "Europa hat ein klares Interesse daran, mit China in Bereichen zusammenzuarbeiten, in denen das Land bereits führend ist oder bald führend sein könnte", erläuterte Wendy Chang, die allerdings eine Gefahr sieht: Der Technologie- und Wissenstransfer mit China werde immer mehr zu einer Einbahnstraße für Europa, da das Reich der Mitte zu einem führenden Akteur in der KI-Forschung avanciere.

Warum das so ist, erklärte Michael Laha, China-Forscher beim Beratungsunternehmen Sinolytics, das europäische Firmen bei der strategischen Ausrichtung und Geschäftsaktivitäten in China berät. Die Kommunistische Partei Chinas definiere die Ziele der wissenschaftlichen Forschung immer enger und nationaler. "Dies gerät in Konflikt mit den Grundsätzen der Offenheit und internationalen Zusammenarbeit, die einen Großteil der Forschung in Europa bestimmen." China sei weiterhin ein attraktiver Innovationspartner und werde dies wahrscheinlich auch bleiben, meint Michael Laha. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit müssten europäische Unternehmen, Forschende und andere Innovationsakteure jedoch die wechselnden Prioritäten der chinesischen Technologiebereiche und Finanzierungsprogramme verstehen.

Text: Joachim Welding